Interview_BDLI

Wandel in der Luft- und Raumfahrt

AeroSpace.NRW im Gespräch mit Volker Thum, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI), über die Entwicklung der Luft- und Raumfahrtindustrie in Deutschland.

Wie sehen Sie die Entwicklung in der deutschen Luft- und Raumfahrt?

Menschen wollen immer ihren Horizont erweitern, andere Länder und Kulturen kennenlernen und auch das Weltall erforschen. Mit Luft- und Raumfahrttechnologien ermöglichen wir die Realisierung dieser Träume und sehen dafür auch in der Zukunft einen großen Wachstumsmarkt. Deutschland steht von Beginn an für Pionierleistungen in der Luft- und Raumfahrt. Mit unserer technologischen Stärke, Qualität und Zuverlässigkeit profitieren wir vom wirtschaftlichen Wachstum des Marktes. Sicher waren die letzten zwei Jahre von der Corona-Krise geprägt, doch seit Mitte 2021 starten wir wieder durch. Es werden wieder mehr Flugzeuge bestellt und geliefert, die Raumfahrt wächst im institutionellen und kommerziellen Bereich weiter, unsere Unternehmen stellen wieder ein. Kurz: Unsere Branche hat sich als widerstandsfähig erwiesen, sie hat Zukunft.

Dabei stehen wir vor dem größten technologischen Wandel unserer Branche seit dem Beginn des Raumfahrt- und Jet-Zeitalters: dem klimaneutralen Fliegen und damit vor dem grundlegenden Paradigmenwechsel: Dekarbonisierung und Digitalisierung sind nicht mehr Mittel zum Zweck, sondern Voraussetzung.

Auf dem Weg zu diesem Ziel verzeichnen wir deutliche Fortschritte: Die ersten Flüge mit 100% nachhaltigem Treibstoff fanden 2021 erfolgreich statt. Bis 2035 soll das Nullemissionsflugzeug „Airborne in Europe“ mit wesentlichen Teilen „Made in Germany“ kommen. An den Technologien arbeiten wir an unseren Standorten deutschlandweit mit Hochdruck. Dazu gehören der Einsatz von Wasserstoff, Brennstoffzellen, 3D-Druck, Leichtbau und die Digitalisierung des Designs und der Fertigung und ganz wichtig: dem Hochfahren der Produktion von nachhaltigen Treibstoffen – um nur einige zu nennen.
Auch in der militärischen Luftfahrt, in der Raumfahrt und dem unbemannten Fliegen geht es mit großen Schritten voran. Das europäische Kampfflugzeugsystem FCAS (Future Combat Air System) ist gestartet. Die Raumfahrt wird durch New Space immer stärker kommerzialisiert und hilft uns mehr und mehr bei der Analyse von Naturkatastrophen und Umweltveränderungen – und in Folge zur Schadensbegrenzung. Klimaneutrale Air Taxis für städtische und regionale Mobilität sowie Drohnen machen rasche Fortschritte.
All diese Technologien werden vom 22. bis zum 26. Juni 2022 in Berlin auf der ILA unter dem Motto „Pioneering Aerospace“ zu sehen sein.

Jetzt haben Sie viele spannende Themengebiete der Industrieentwicklung genannt, wo sehen Sie dabei die Rolle von Nordrhein-Westfalen?

In NRW befindet sich ein zentraler Teil der Wertschöpfungskette unserer Branche. 400 Unternehmen und Forschungseinrichtungen für den Bereich Luftfahrt sowie 130 für die Raumfahrt sind unverzichtbarer Bestandteil unserer Branche. Hier entstehen im Mittelstand und bei Weltmarktführern modernste Materialien (von speziellen Legierungen bis hin zu Kohlefasern), ultraleichte Flugzeugbauteile, komplexe Beleuchtungssysteme, Fahrwerke und Strukturbauteile sowie komplexe Satellitensysteme.
Die unglaublich dichte Hochschul- und Forschungslandschaft erbringt Spitzenleistungen im weltweiten Vergleich, die von zahlreichen Unternehmen in Produkte, Verfahren und Dienstleistungen für unsere Industrie weiterentwickelt werden. Mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) beheimatet NRW eines der weltweit renommiertesten Forschungszentren der Luft- und Raumfahrt.

Nordrhein-Westfalen hat zur Unterstützung der Industrieentwicklung das Netzwerk AeroSpace.NRW gegründet. Welche Bedeutung haben solche lokalen Netzwerke und worin sehen Sie den Mehrwert für Mitglieder?

Als föderaler Staat lebt Deutschland von der gesunden Mischung aus Bundes- und Landesaufgaben. AeroSpace.NRW ist damit das perfekte Netzwerk, die Interessen der nordrhein-westfälischen Unternehmen – darunter sehr viele mittelständische – zu bündeln, sie lokal zu unterstützen und zusammen mit dem Bundesverband diese Unterstützung auch auf Bundesebene durchzusetzen. AeroSpace.NRW wird helfen, vorhandene Potentiale synergetisch auszuschöpfen, neue Geschäftsfelder zu erschließen und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken mit dem Ziel, nachhaltige und zukunftsfähige Luft- und Raumfahrt „made in NRW“ zu sichern und auszubauen.

Bereits heute arbeiten BDLI und AeroSpace.NRW eng zusammen, vor allem im BDLI-Regionalforum. Dort erfolgt die überregionale Vernetzung mit anderen Regionalverbänden und Clustern, dort werden Interessen gebündelt und die Zukunftsfelder besprochen. Dies hat auch der 15. Tag der Deutschen Luft- und Raumfahrtregionen im vergangenen September gezeigt, der aus gutem Grund in NRW, in Aachen, stattfand. Aus meiner Sicht war es noch nie wichtiger, als Branche zusammenzuarbeiten

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