SI-Schweitzer

System zur Dekontaminierung der Kabinenluft von Luftfahrzeugen

Durch den Ausbruch der Corona Pandemie ist die Bedeutung einer von Krankheitserregern unbelasteten Kabinenluft in den Fokus gerückt, da die Gefahr einer Ansteckung während des Fluges zum zeitweisen Zusammenbruch des gesamten Luftverkehrs geführt hat. Die Belastung der Atemluft mit Viren, Bakterien, Keimen, Sporen und Pilzen ist jedoch bereits seit langer Zeit ein Thema in der Luftfahrt.

Kontaminierte Oberflächen in der Kabine lassen sich mit Reinigungsmitteln behandeln und der Passagier kann sich vor dem Kontakt mit Oberflächen mit einfachen Mitteln wie Handschuhen schützen bzw. durch die Reduzierung von Kontakten. Bei der Atemluft sieht es aber schon anders aus. Hier besteht der einzige Schutz im Tragen von Masken, deren Wirksamkeit selbst bei idealem Anliegen nicht hundertprozentig ist. Man denke nur an Langsteckenflüge, wo der Passagier auch schon einmal einen kurzen Schlaf hält und somit die Kontrolle über den richtigen Sitz der Maske verliert. Darüber hinaus muss die Maske zum Essen und Trinken zwangsläufig abgenommen werden, so dass der Passagier in dieser Phase praktisch schutzlos ist. Somit ergibt sich die einzig effektive Maßnahme, die Kabinenluft selbst von allen Krankheitserregern zu befreien. Zu diesem Zweck werden seit dem Ausbruch der Corona Pandemie Filtersysteme eingesetzt, die über das Ausfiltern von Aerosolen die Kabinenluft säubern. Letztlich wird mit solchen Systemen die Gefahrenquelle zum Filter hin verlagert, dessen Wirksamkeit zudem mit der Zeit nachlässt. Der Austausch wie auch die Entsorgung müssen unter strengen hygienischen Aspekten erfolgen. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn sich im Filter Krankheitserreger angesammelt haben, die über einen langen Zeitraum ansteckend bleiben.

Eine andere Methode der Dekontaminierung stellt die Bestrahlung mit UV-Licht im sogenannten C-Band dar, das den Frequenzbereich von ca. 200-280 nm abbildet. Trotz der sehr unterschiedlichen Ausbildung haben alle infektiösen, organischen Strukturen einen sehr ähnlichen RNA- bzw. DNA-Aufbau aus vier unterschiedlichen Basen. Diese Struktur weist eine ausgeprägte Empfindlichkeit bei vorgenannten Wellenlängen auf. Durch die Einwirkung der UV-C-Strahlung werden die RNA-/DNA-Erbsubstanzen, die Basen, zerstört und somit unschädlich gemacht, sodass keine Ansteckungsgefahr mehr besteht. Die erforderlichen Strahlungsdosen, welche für eine solche Dekontaminierung erforderlich sind, hängen generell nicht nur von der zellularen Ausbildung der betrachteten Krankheitserreger ab, sondern auch davon, ob eine Bindung an Aerosolen oder Flüssigkeitströpfchen vorliegt.

Insbesondere für Corona-Viren (SARS-CoV, SARS-CoV-2, MERS-CoV), welche eine Größe im Bereich von 12-160 nm aufweisen, sind in der Fachliteratur unterschiedliche Werte für eine 90%ige Inaktivierung im Bereich von 0,39 mJ/cm2 (in Luft) bis 10,6 mJ/cm2 (in Flüssigkeit) zu finden. Unter Berücksichtigung aller in der Kabinenluft auftretenden Krankheitserreger und zur Erzielung einer 99%igen Inaktivierung ist somit eine UV-C Strahlungsdosis von mindestens 20 mJ/cm2 anzustreben.

UV-Strahler werden bereits seit langer Zeit zur Entkeimung von Luft und Wasser eingesetzt. Im Wesentlichen werden hierzu UV-Niedrigdruckstrahler mit kleiner Leistung (<100 W) benutzt. Ein Erreichen der angestrebten Strahlungsdosis in Höhe von 20 mJ/cm2 ist mit diesen Strahlern nur möglich, wenn eine entsprechende Baugröße (>1 m), sowie eine lange Einwirkzeit (>1h) gewählt wird.

Einen anderen Weg geht die Schweitzer Ingenieur GmbH (SI) , welche UV-Mitteldruckstrahler hoher Leistung anwendet. Solche Strahler besitzen hohe elektrische Leistungen bis zu 7.000 Watt bei einer Baulänge von unter 300 mm und sind somit ideal geeignet für die Anwendung in kleinen Bauräumen. Sie werden bisher im Wesentlichen zum Fügen UV-härtender Klebstoffe verwendet, besitzen jedoch ebenfalls einen hohen UV-C Anteil im Bereich von 200-280 nm und können somit für die Dekontamination eingesetzt werden. Im Normalbetrieb erhitzen sich diese Strahler jedoch auf etwa 900 °C,
so dass übliche Reflektoren zur Intensitätssteigerung nicht mehr angewendet werden können. Sie würden zu einer schnellen Überhitzung und somit zur Zerstörung des Strahlers führen. Hier setzt die SI mit einer neuen, zum Patent angemeldeten Entwicklung an, dem Multistrahlreflektor.

Dieser Reflektor mit Innendurchmessern zwischen 150 mm und 400 mm verwendet eine spezielle dichroitische Beschichtung, welche eine ca. 90%ige Reflexion der UV-C Strahlung erzielt. Zusätzlich ermöglicht eine optimierte Innengeometrie des Reflektors, dass die reflektierten Strahlen den UV-C Strahler nicht erfassen, in Umfangsrichtung umgelenkt und in radialer Richtung nach außen verlagert werden. Hierdurch findet insbesondere im mittleren und im Außenbereich des Strömungskanals eine ca. 10-fache Strahlungsverstärkung durch die Überlagerung der Strahlen statt. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass jedes Objekt im Strömungssraum von allen Seiten bestrahlt wird, sodass insgesamt eine hohe Wirksamkeit gegeben ist.

Aufgrund der hohen Strahlungsintensitäten im Bereich von 50.000-70.000 W/m2 lassen sich auch bei extrem kurzer Bestrahlungszeit hohe Strahlungsdosen erzielen. Bei einem 400 mm durchmessenden Strömungskanal und einem 6.000 W UV-C Strahler wird bei einer Strömungsgeschwindigkeit von 10 m/s eine minimale Strahlungsdosis von 102 mJ/cm2 erreicht. Dies entspräche dem Kabinenvolumen eines Airliners, welches rein rechnerisch in ca. 8 Minuten dekontaminiert werden könnte. Selbst bei einer hohen Strömungsgeschwindigkeit von 50 m/s würde noch eine minimale Strahlungsdosis von 20,6 mJ/cm2 erzielt, die für eine 99%ige Dekontaminierung sämtlicher Krankheitserreger ausreichen würde.

Eine Umsetzung des neuen Konzeptes ist in Form eines Dekontaminierungs-Trolleys angedacht, der stationär in einer Galley und auch Akku-getrieben mobil eingesetzt werden könnte. Größere Anlagen könnten in einem Stowage oder einem Doghouse untergebracht werden. Erste Gespräche mit interessierten Firmen sind bereits im Gange, um das System in Lizenzfertigung herstellen zu lassen. Es wird aber auch über eine Umsetzung im eigenen Haus nachgedacht.

SI Schweitzer Ingenieurgesellschaft mbH

Dr.-Ing. Bert Schweitzer
Geschäftsführer
+49 2161 661331 | dr.schweitzer@si-gmbh.com

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