DLR-Medizin

Cosmic Kiss – eine Liebeserklärung an das Weltall

Der erste Mensch im All hatte seine Homebase im russischen Sternenstädtchen, der 600ste Weltraumfahrer hat sie in Nordrhein-Westfalen: Matthias Maurer, ein gebürtiger Saarländer, war zunächst stellvertretender Leiter des European Astronaut Center (EAC) in Köln, bevor er dann als ESA-Astronaut nachnominiert wurde und derzeit auf der Internationalen Raumstation seinen ersten Weltraumflug absolviert.

Im Gepäck hat er eine Vielzahl an Experimenten, die er derzeit für Forschungseinrichtungen in ganz Europa auf der ISS durchführt. Seine Mission „Cosmic Kiss“ beinhaltet materialwissenschaftliche Experimente wie Concrete Hardening, wo er unter Schwerelosigkeitsbedingungen Betonproben produziert für eine spätere Untersuchung im Labor der Ruhr-Universität Bochum, deckt aber auch viele weitere Wissenschaftsfelder ab: So wird etwa im biologischen Experiment Cytoskeleton der Einfluss der Schwerelosigkeit auf die inneren Haltestrukturen einer Zelle untersucht. Oder durch Europa ein Luftanalysator für die Raumstation zur Verfügung gestellt, der die bisher verfügbaren Geräte in den Schatten stellt und bereits ein kleiner Baustein für zukünftige Missionen „weiter hinaus“ ist.
Apropos: In vielen Aspekten weist die Mission „Cosmic Kiss“ bereits aus dem Erdorbit hinaus in die tieferen Weiten des Alls – ist „eine erste Liebkosung der von der Erde aufbrechenden Menschheit durch den Kosmos und das unendliche Universum“: Es gibt viele Experimente, die auf Missionen jenseits der heutigen erdnahen Missionen ausgerichtet sind, auf zukünftige Stationen im Mondorbit oder Habitate auf seiner Oberfläche.

Mission Control in Bayern…
Unterstützt wird Matthias Maurers Mission derzeit insbesondere durch drei Einrichtungen, die sich jeweils auf dem Gelände des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) befinden:

Da ist zum einen das Deutsche Raumfahrtkontrollzentrum (GSOC) in Oberpfaffenhofen. Im dortigen Columbus Control Center (Col-CC) laufen die Fäden aus ganz Europa zusammen: Hier überwacht rund um die Uhr das Flight Control Team den europäischen Anteil der ISS, das Columbus-Modul. Sie unterstützen die Arbeit der Astronauten, koordinieren die europäischen Aktivitäten, und helfen im Fall von Anomalien an Bord. In kleiner Besetzung sind zumindest ein Flugdirektor, ein technischer Experte sowie ein Ground Controller, der die umfangreichen Bodensysteme des Raumfahrtprojekts überwacht, permanent an ihren Konsolen. Tagsüber unter der Woche oder nach Bedarf wird dieses Team dann noch erweitert um eine Planungsposition, einen Logistikspezialisten, einen „Crew communicator“ (EUROCOM) und für die einzelnen Experimente nochmal jeweils entsprechende Fachleute (USOCs).

Die letzteren Positionen sind nicht vor Ort, sondern über Video-, Sprech- und Datenverbindungen mit dem Team dort verbunden. Das Team in Oberpfaffenhofen steht seinerseits dann weiter mit den Kontrollzentren der NASA in Verbindung.

…und Support aus Nordrhein-Westfalen
Für das ISS-Projekt wurde in Europa ein verteilter Betriebsansatz gewählt: Eins der USOCs, das Microgravity User Support Center (MUSC), hat seinen Sitz in Köln – und ist die zweite der oben genannten Einrichtungen, die seitens des DLR die Maurer-Mission unterstützen. Von hier aus wurde Cytoskeleton unterstützt. Die Kollegen steuern und überwachen das BIOLAB-Rack in Columbus. Dieses enthält zum einen eine Glovebox, mit der Astronauten isoliert von der umgebenden ISS-Atmosphäre mit Substanzen oder Proben hantieren können, die nicht in die Umluft gelangen sollten. Ein weiterer zentraler Teil ist eine Zentrifuge, in der künstliche Schwerkraft erzeugt werden kann. Mittels eines Roboters innerhalb des Racks können die MUSC-Spezialisten dann biologische Experimente weitgehend selbständig durchführen. Darüber hinaus werden für die Materialforschung vom MUSC aus Schmelzprozess-Experimente über zwei hochspezialisierte Nutzlastschränke betreut. Hier kann man neuartige Legierungen oder Schmelz- und Erstarrungsprozesse untersuchen.

Ebenfalls in Köln beheimatet ist – wir erwähnten es schon eingangs – das europäische Astronautenzentrum EAC. Hier erhielt Maurer nicht nur sein Training auf die europäischen Elemente der ISS wie das Columbus-Modul und die europäischen Payloads, sondern er hat von hier aus das Team auch lange als EUROCOM unterstützt.

Hier sitzt auch eine Gruppe von medizinischen Experten, die sich um alle Aspekte der Gesundheit und das Wohlergehen der europäischen Astronauten kümmert. Hierzu gehören auch die körperliche und mentale Fitness, die gesunde Ernährung, eine nachhaltige „Work-Rest-Balance“ sowie die Überwachung der Weltraumstrahlungswerte. Diese dritte zentrale „Unterstützungsstelle“ ist eine Einrichtung der ESA, wird aber durch Personal des DLR und anderer nationaler europäischer Raumfahrtagenturen unterstützt.
Gleich gegenüber des EACs entsteht derweil die Zukunft: Mit der LUNA-Halle soll eine einzigartige Simulationsanlage für zukünftige Raumfahrtprojekte auf der Mondoberfläche entstehen, angekoppelt an MUSC, EAC und Col-CC, eine Förderung durch das Land Nordrhein-Westfalen wird derzeit diskutiert.

Dann ist der Mond in NRW zum Greifen nahe.

Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR)

Thomas Uhlig
Zuständig für zukünftige Projekte der astronautischen Raumfahrt
thomas.uhlig@dlr.de

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